top of page

...und da gehen Erwachsene wieder in die Schule und am Abend der Abschlussprüfung umarmt die Tochter die nervöse Mutter und schaut ihr tief in die Augen während deren Mund den folgenden Satz artikuliert: "Mami, du schaffst das. Ich glaube an dich. Wenn du diese Prüfung hinter dir hast, freue ich mich auf die gemeinsame Zeit, die wir dann wieder zusammen verbringen können. Schlaf gut." Küsst die Tochter die Mutter auf die Stirn und verlässt selbstzufrieden den Raum.

Ich fühle einen sanften Luftzug auf der Stirn und höre wie das Wasser den Bach runter fliesst... und ein Gefühl von unsicherem Boden unter den Füssen schwingt mit. So schnell können sich Rollen innerhalb der Familie wandeln. Die Worte haben sich wohltuend und tröstend angefühlt und der Kuss hat einen warmem Eindruck in meiner Brustgegend hinterlassen. Zuversichtlich bin ich schlafen gegangen.


Die Prüfung ist tatsächlich von gestern. Und jetzt ...


ein bisschen Freiheit fühlen

Mein Blick fällt auf das Buch, dass bereits seit Monaten auf meinem Nachttisch liegen geblieben ist. "Das grosse Buch der Gefühle". Daneben stapeln sich die Zeitschriften "Psychologie Heute", die ich zum Lesen aufgehoben habe. Eine davon die aktuelle März-Ausgabe mit dem Titelartikel "Alles fühlen, was da ist - nicht wegdrücken, nicht grübeln: Wie wir gut mit belastenden Emotionen umgehen." Und da kommt mir mein Plan von ein bisschen Freiheit wieder in den Sinn. Nach den Prüfungen wollte ich wieder mehr Zeit zum Lesen finden. Kreative Zeit mit meiner Tochter verbringen. Vermehrt anregende Gespräche mit meinem Sohn führen, die über "wie war es in der Schule?" und "wie war dein Tag?" hinaus gehen. Mich abends wieder mit meinem Partner an einen Tisch setzen, um dort ein bisschen zu verweilen.


Und... ich wollte mich persönlich mit diesen grossen Gefühlen auseinander setzen, die mich in der letzten Zeit - wo sich der Prüfungstermin plötzlich bedrückend angefühlt hat - immer wieder eingeholt haben. Unter Druck haben sich diese Gefühle nicht mehr so schnell regulieren lassen, wie ich es gerne gehabt hätte. In der Zeitnot habe ich diese unangenehmen Gefühle auch gerne einmal "weggedrückt".


wenn Gefühle etwas zu sagen haben

Andreas Knuf meint dazu in seinem Artikel der Psychologie Heute: "Dabei haben alle Gefühle eine sinnhafte Funktion und sind Ausdruck unserer Lebendigkeit. Wenn wir sie da sein lassen und uns nicht für unsere Gefühle verurteilen, dann können wir sie erkunden und besser verstehen, was sie uns zu sagen haben." Damit hat mir der Autor aus dem Herzen gesprochen. Ich weiss, dass ein bisschen Freiheit auch bedeutet meinen Gefühle die nötige Aufmerksamkeit zu schenken.


zurück zum Gefühl

Folgende Anregungen sollen uns wieder auf die Spur zu unseren Gefühlen führen. Diese Anregungen stammen von Andreas Knuf. Ich habe diese gegen mein Prinzip - zuerst alles selbst ausprobieren, bevor weitergeben - noch nicht vollständig ausprobiert. Die Prüfung ist tatsächlich erst von gestern.

Gewisse Ansätze kenne ich und nutze diese im Mentaltraining. Deshalb überlasse ich es einfach dir und deinem Gefühl, was dich anspricht und was du ausprobieren möchtest... gerne lese ich von deinen Erfahrungen. Ich werde dich ebenfalls wissen lassen, was ich bei der Auseinandersetzung mit den grossen Gefühlen, über den Umgang mit diesen herausgefunden habe.


Öffne dich für deinen Körper

Der Ort, der den Zugang zu deinen Gefühlen ermöglicht, trägst du täglich bei dir. Gefühle nimmst du in deinem Körper wahr.

  1. Achte auf Empfindungen, die du rein körperlich spürst. Stimme dich mental darauf ein. Beispielsweise nimmst du Druck, Enge, Unruhe oder Anspannung wahr.

  2. Schliesse deine Augen, damit du ganz bei deinem Körper bist.

  3. Atme bewusst tief ein und aus.

  4. Nimm dir Zeit deinen Körper zu spüren. Vielleicht beginnst du von unten nach oben oder umgekehrt. Vielleicht weisst du intuitiv, wohin deine Aufmerksamkeit dich hinführt. Lass dich leiten und nimm wahr.

  5. Gedanken dürfen einfach weiter ziehen (ich bin mir bewusst, dass dies alles andere als einfach ist). Beobachte diese wertfrei und richte deine Aufmerksamkeit wieder deinem Körper zu.

  6. Nun frage dich, welche Gefühle mit der Körperwahrnehmung verbunden sind. Was ist das beispielsweise für eine Anspannung? Fühlt sich diese Anspannung ärgerlich an? Oder ist da eher eine müde Angespanntheit zu spüren? Vielleicht ist da sogar eine freudige Anspannung zu fühlen, weil du ein Fest feierst oder deinen Führerschein in Empfang nehmen darfst...

Das Öffnen deines Körpers ist ein erster Schritt zu Deinen Gefühlen.

Welche Gefühle kennst du? Sehnsucht, Schuldgefühle, Angst, Versagen, Geborgenheit, Müdigkeit, aggressive Gefühle wie Ärger, Wut und Zorn, Hass, Jähzorn, Trotz, Ironie, Sarkasmus, Zynismus und Bitterkeit, Einsamkeit, Würde, Verantwortungsgefühl, Trauer, Mitgefühl, Treue, Verrat und das Gefühl der Verbundenheit, Freude und Glück, Neugier, Leidenschaft, Langeweile, Liebe, Eifersucht und Neid, Von Sich-fremd-Sein zum In-sich-Wohnen so stehen sie im grossen Buch der Gefühle. Wahrscheinlich habe ich jedes davon einige Male im Leben durchfühlt, vielleicht sogar beim Wort genannt.


Schliesse zwischendurch einmal die Augen, um einen Zugang zu den Gefühlen zu finden, rät Andreas Knuf ausserdem. Gerade die visuellen Reize fordern unser Gehirn sehr und reduzieren die Wahrnehmungsfähigkeit für unsere Gefühle.


Auf der körperlichen Ebene kann es helfen, durch den Mund statt durch die Nase zu atmen. Mit der Mundatmung scheinen wir die Kontrolle über die Atmung eher abzugeben. Was mir selbst bis heute so nicht bewusst gewesen ist. Zudem soll jedes Gefühl seinen Atemrhythmus haben, weshalb wir den Atem nicht steuern, sondern frei strömen lassen sollten.


Zu guter Letzt kannst du Gefühle einfach wertfrei fühlen. Niemand erwartet von dir, dass du diese reflektierst oder korrigierst. Erinnerst du dich an die Kernaussage des JanuarBlogs? Du bist wertvoll, egal welches Gefühl du gerade durchfühlst. Du darfst wütend sein. Dieses Gefühl ändert nichts an deinem Wert. Andreas Knuf drückt es so aus: "Der erste Schritt ist immer das Erleben des Gefühls. Dafür sollte man sich zunächst Zeit geben, bevor man in einen Reflexionsprozess einsteigt."



«Ich sitze vor meinem Tisch, schliesse meine Augen und warte ... und plötzlich, wie Magie, finde ich mich in der untergegangenen Welt meiner Kindheit wieder.» (Grazia Deledda)

In diesem Sinne wünsche ich dir viel Sinn für dein Gefühl und die Achtsamkeit einfach die Augen schliessen zu können, zu warten ... und anschliessend zu beobachten, was passieren wird.


Danke für deine Aufmerksamkeit beim Lesen des Blogs. Danke für das Ausprobieren der verschiedenen Werkzeuge. Danke für dein Feedback, damit ich mich freuen und wachsen darf.


Quellen:

-Zitat Andreas Knuf: Psychologie Heute 03/ 2023, Artikel Alles fühlen, was da ist von Andreas Knuf, Seite 19

-Anregungen leicht modifiziert: Psychologie Heute 03/ 2023, Artikel "Alles fühlen, was da ist" von Andreas Knuf, Seite 17

-Zitat 1: Tischkalender "Kluge Frauen", 2021 arsEdition GmbH, Friedrichstr. 9, D-80801 München, ISBN 978-8458-4121-2

-Das grosse Buch der Gefühle, Udo Baer & Gabriele Frick-Beaer, 2022, erweiterte Auflage, Beltz Verlag, ISBN 978-3-407-86702-5

-Bilder aus der eigenen WinterFotoGalerie




Aktualisiert: 13. Jan. 2023

Eine wunderbare Freundin hat mich im neuen Jahr darauf aufmerksam gemacht, dass der eigene WERT, also auch deine Einzigartigkeit immer vorhanden ist - unabhängig davon, wie Du Dich zu diesem Zeitpunkt fühlst. Sie hat den Begriff "SelbstWERTgefühl" zu "Selbstgefühl" ummoduliert und den "WERT" aus dem Begriff losgelöst betrachtet.

Ihre Begründung dafür hat mich tief berührt: "Weisst du wieso das Wort Wert nun alleine steht? Weil dieser - egal wie sich äussere Umstände und innere Gefühle zeigen - immer vorhanden ist. Du bist wertvoll und du hast mit deinem Sein einen beständigen Wert. Das Selbstgefühl hingegen ist äusseren und inneren Schwankungen ausgesetzt."


Was als Wortspielerei beginnt, fühlt sich - je öfter ich über dieses Gespräch nachdenke - wahr an. Meine Freundin hat den WERT mit dem Beispiel "Geldnote" beschrieben. Die Geldnote behält ihren Wert, egal ob diese zu Boden fällt und verschmutzt wird oder einen Riss abbekommt. Sie behält sogar den gleichen Wert, wenn ein Stücken Notenpapier fehlt. Und ja, wir waren uns bereits damals einig, dass beim Vergleich mit der Geldnote ein leicht fahler Nachgeschmack mitschwingt. Schliesslich gehen wir davon aus, dass jeder Mensch unbezahlbar ist.


Du bist wertvoll!

Ein weiterer Versuch bringt den WERT, der in Dir, in mir, in uns allen liegt, vielleicht etwas weniger negativ behaftet aufs Papier.

Wasser ist für deinen Körper lebensnotwendig. Es steuert zahlreiche Körperfunktionen wie etwa die Stützfunktion, die Regulation der Körpertemperatur, den Transport von Vitaminen oder das Lösen von Mineralsalzen, etc.

Egal, ob du deinem Glas Wasser nun etwas Zitronensaft, einen Teelöffel Bienenhonig oder einige Ingwerstückchen beimischst... Wasser bleibt lebensnotwendig und dein Körper wird jedes Glas Wasser dankbar verstoffwechseln. Wasser ist WERTvoll und belebt deinen Körper!


Nachdem ich mich mit Begriffen auseinander gesetzt habe, ist es mir ein Anliegen diesen wertvollen Hinweis meiner Freundin zu erfahren und zu begreifen. Wie erkenne ich also meinen WERT? Sofort ist mir klar, dass dies eine Sache zwischen mir und mir sein soll. Ich will mich nicht abhängig fühlen und mir meinen Wert vom Aussen bestätigen lassen. Vielmehr ist mir wichtig, dass ich meinen WERT selber entdecke...


Deinen WERT wahrnehmen, spüren, fühlen

Folgende Übung wird dein Wohlbefinden durch eine Umarmung wieder herstellen oder verstärken. Die Gehirnforschung weiss, dass sich das Hormon Oxytocin positiv auf das Wohlbefinden auswirkt. Es wird vor allem bei menschlicher Nähe gebildet und wird deshalb auch "Kuschelhormon" genannt. Eine Umarmung löst genau diese Körperreaktion aus.


Selbstumarmung

  1. Setze dich aufrecht hin und breite die Arme aus. Hebe das Kinn etwas. Atme tief ein. Kids: du darfst dabei an jemanden denken, der dich liebt und gut für dich sorgt. Erwachsene: stelle dir dabei eine Eigenschaft von dir vor, die du besonders magst und fühle, wie wertvoll du bist.

  2. Atme ein. Lege die Arme um deinen Körper. Senke das Kinn etwas und schaue nach unten. Du kannst auch gerne die Augen schliessen. Kids: du kannst das warme Gefühl von vorhin mit in deine Umarmung einschliessen lassen. Erwachsene: Spüre die Wärme, lass zu, dass Freundlichkeit und Liebe durch deine Finger in diese Teile des Körpers strömen, die du gerade berührst.

  3. Verweile einen Augenblick in dieser Umarmung und atme währenddessen gut ein und aus. Spüre nach, wie sich diese Umarmung in deinem Körper anfühlt.

«Wenn es um dein Glück und deinen Selbstwert geht, dann verlasse dich nicht auf andere. Nur du bist dafür verantwortlich. Wenn du dich nicht selbst lieben und respektieren kannst, wird das auch niemand anderes können.» (Stacey Charter)

Entdecke, fühle und drücke das Selbstgefühl aus

Folgende Übung stärkt deine Wahrnehmung für die vielfältigen Selbstgefühle und deren Wirkungen.


Selbstgefühl in drei Schritten - eine MiniÜbung, die du täglich üben kannst

Frage dich täglich mindestens einmal, wie du dich fühlst.

  1. Finde ein beschreibendes Wort - also ein Adjektiv, welches ausdrückt, wie du dich im jetzigen Moment fühlst. Achte darauf, dass du nicht bewertest (gut/schlecht). Eine Liste mit verschiedenen Adjektiven kann hier unterstützend wirken. Beispiel: "Ich fühle mich erfrischt!"

  2. Ziehe einen Vergleich her, indem du das Adjektiv mit einer Situation in Verbindung setzt, welche das Selbstgefühl noch besser zum Ausdruck bringt. Beispiel: "So als ob ich gerade vom Schwimmen in der Sense zurück gekehrt wäre."

  3. Nimm wahr, ob du dieses Gefühl magst oder nicht magst. Beispiel: "Ich mag dieses erfrischende Gefühl sehr."

«Was hinter uns liegt und was vor uns liegt, sind winzige Dinge im Vergleich zu dem, was in uns liegt.» (Ralph Waldo Emerson)


Apropos - Selbstmitgefühl kann den Weg zum neuen Verständnis des eigenen Werts unterstützen

Die folgende Übung unterstützt dich darin, das Empfinden von Wertlosigkeit in ein angenehmes Körpergefühl umzuwandeln. Suche dafür einen Ort, an dem du ungestört bist. Nimm dir 15 Minuten Zeit, in die Übung von Chris Germer einzutauchen.


Der mitfühlende Blick, die mitfühlende Berührung, mitfühlende Worte

  • Setze dich aufrecht hin, atme tief ein und aus. Beim Ausatmen lässt du alle Spannung los. Schliesse die Augen. Lasse deinen Atem in seinem Rhythmus fliessen. Erinnere dich an ein Ereignis in deinem Leben, das im Stande ist, ein Gefühl von Wertlosigkeit in deinem Körper auszulösen. Erlaube dir das Gefühl von Wertlosigkeit voll und ganz zu fühlen. Stelle dir nun die Augen eines Menschen vor, den du für sehr mitfühlend hältst. Du kannst dir auch das Bild einer mitfühlenden Person oder eines gütigen Fantasiewesens vorstellen. Erlaube dir, im Blick dieser Person zu baden, im warmen Blick des Mitgefühls.

  • Lege eine Hand auf diejenige Stelle deines Körpers, wo du die Wertlosigkeit (in welcher Form auch immer) empfindest. Spüre die Wärme, lasse zu, dass Freundlichkeit durch deine Finger in denjenigen Teil deines Körpers strömt, der gerade angespannt ist.

  • Denke an diejenigen Worte, die du jetzt gerne in dieser Situation hören würdest. Ermutigende, freundliche, tröstende Worte. Flüstere dir diese wertvollen Worte selbst zu. Erlaube dir, die wohltuenden Worte zu empfangen und zu geniessen und nimm wahr, wie sich langsam ein Gefühl von «wertvoll sein» einstellt.

  • Nimm dir noch einen Moment Zeit wahrzunehmen, was in deinem Körper passiert. Wenn du bereit bist, öffnest du sanft die Augen.

«Selbstfürsorge ist niemals eine selbstsüchtige Handlung. Es ist einfach eine gute Verwaltung des einzigen Geschenks, das du für dich hast» (Parker Palmer)

In diesem Sinne wünsche ich dir ein Gefühl für deinen WERT und die wertvolle Eigenschaft dein Selbstgefühl auszudrücken ohne dabei deinen WERT aus den Augen zu verlieren.


Danke für deine Aufmerksamkeit beim Lesen des Blogs. Danke für das Ausprobieren der verschiedenen Werkzeuge. Danke für dein Feedback, damit ich mich freuen und wachsen darf.


Quellen:

-Selbstumarmung: Achtsamkeit - fantasievolle Übungen, die Kindern Ruhe schenken, Wynne Kinder, DK Verlag, ISBN: 978-3-8310-3826-8

-Übungen Selbstmitgefühl leicht modifiziert: Psychologie Heute 01/ 2023, Artikel Selbstmitgefühl von Birgit Schönberger, Übungen Chris Germer, Seite 20

-Zitat 1: https://gedankenwelt.de/7-zitate-die-deinen-selbstwert-steigern/

-Zitat 2, 3: https://www.hafawo.at/zitate/die-35-besten-zitate-zum-thema-selbstwertgefuehl-und-selbstliebe/

-Bilder aus der eigenen FotoGalerie, Wix Fotogalerie




Ich bitte meine Tochter um einen Gefallen... sie soll mir den gelben Zettel auf der Küchenablage bringen. Ich stehe bereits ein wenig ungeduldig in der offenen Türe - mit Schuhen, Jacke und einer Tasche in der rechten und einer in der linken Hand. Meine Tochter findet den gelben Zettel nicht. Ich entledige mich genervt von Schuhen und Taschen und hetze zurück in die Wohnung. In der Küche liegt der grüne Zettel. Meine Tochter sieht mich triumphierend an und meint: "ich habe doch gesagt, da ist kein gelber Zettel." Ich hätte schwören können, dass er vorhin noch gelb war.

Solche Situationen beschämen mich einerseits. In Gedanken hatte ich meiner Tochter bereits Farbenblindheit unterstellt, um dann festzustellen, dass mein eigener Blick getrübt war. Anderseits wundere ich mich darüber, wie schnell sich "die" Wahrheit als eine unter vielen entpuppt.


Deine Wahrheit, meine Wahrheit - die Wahrheit kann wechseln.

Eine Situation lässt sich immer auch anders betrachten. Wie lässt sich dann feststellen, welche Betrachtungsweise falsch oder richtig ist? Es gibt keine treffende Antwort auf diese Frage. Es geht viel mehr darum, sich dessen bewusst zu sein, dass dasjenige was ich im Jetzt als "wahr" empfinde, morgen bereits "unwahr" erscheinen kann. Das folgende Beispiel verdeutlicht, was ich damit sagen will.

Jahrelang habe ich meine Arbeitskolleginnen, die Teilzeit beschäftigt waren und Kinder zu betreuen hatten, als wenig engagiert erlebt. Nachdem ich dann selbst 10 Jahre Muttersein und Berufstätigkeit gelebt hatte, schrieb ich eine Diplomarbeit mit dem Titel „Mentaltraining für berufstätige Mütter zwischen Selbstverwirklichung und Familienmanagement.“ Dabei hatte ich grosses Mitgefühl mit mir und allen berufstätigen Müttern und empfand mich/uns als sehr engagiert. Was ist passiert?

Ich habe die Gelegenheit erhalten hinter die Kulissen zu sehen, weshalb sich meine Wahrheit verändert hat.

Kennst du selbst ebenfalls ähnliche Beispiele aus deinem Leben?

Es lohnt sich, sich selbst zum Thema „meine Wahrheit, deine Wahrheit“ zu reflektieren.

Meine Keks... Deine Kekse...

Wie schnell sich eine Wahrheit als unwahr herausstellt, zeigt diese berührende Geschichte, die ich beim Hören des Podcasts "calm is your superpower" entdeckt habe.


«Eine Frau wartete eines Abends an einem Flughafen auf ihren Flug und hatte noch einige Stunden bis zur Abflugzeit. Sie suchte in den Geschäften des Flughafens nach einem Buch, und kaufte außerdem eine Tüte Kekse. Sie suchte sich einen Platz, um sich dort fallen zu lassen und es sich gemütlich zu machen während sie wartete.

Sie war in ihr Buch vertieft, sah aber zufällig aus den Augenwinkeln, dass der Mann, der neben ihr saß, frech wie er war, immer wieder zwischendurch einen oder zwei Kekse aus der Keks Tüte nahm. Sie versuchte es zu ignorieren, um nicht unhöflich zu sein und um eine Szene zu vermeiden.

Also mampfte sie die Kekse und beobachtete die Uhr, während der dreiste Keksdieb neben ihr weiter mit den Keksvorrat verkleinerte. Je mehr Minuten verstrichen, desto mehr ärgerte sie sich und dachte: "Wenn ich nicht so nett und gut erzogen wäre, würde ich ihn in seine Schranken weisen und ihm sagen, dass man sich so dreist nicht verhält."

Mit jedem Keks, den sie nahm, nahm der Mann auch einen, und als nur noch ein letzter Keks übrig war, fragte sie sich, was er wohl jetzt tun würde. Mit einem Lächeln im Gesicht und einem nervösen Lachen nahm der Mann den letzten Keks und brach ihn in zwei Hälften.

Er bot ihr eine Hälfte an, und als er die andere ass, schnappte sie ihm die angebotene Hälfte weg und dachte... ‚oooh Mann. Der Kerl hat vielleicht Nerven und ist auch noch so unhöflich, warum hat er sich nicht einmal bedankt!

Die Frau wusste nicht, wann sie sich jemals so geärgert hatte, und seufzte erleichtert, als ihr Flug aufgerufen wurde. Sie packte ihre Sachen zusammen und ging zum Flugsteig, wobei sie sich weigerte, dem undankbaren Dieb einen letzten Blick zu gönnen.

Sie bestieg das Flugzeug und ließ sich in ihren Sitz sinken, machte es sich bequem und suchte dann nach ihrem Buch, mit dem sie fast fertig war. Als sie in ihr Gepäck griff, zuckte sie vor Überraschung und Schreck zusammen, denn dort lag ihre Tüte mit den Keksen vor ihren Augen.

‚Wenn meine hier sind‘, stöhnte sie verzweifelt, ‚dann waren die anderen seine, und er wollte teilen‘. Zu spät, um sich zu entschuldigen, erkannte sie mit Scham und Bedauern, dass sie die Unhöfliche, die Undankbare, die Diebin gewesen war.»


Meine Wahrheit ist auch eine Frage der Perspektive.

Folgende Übung stärkt dein Bewusstsein für die vielfältigen Sichtweisen und deren noch vielfältigeren Wirkungen. Sie hilft dir ausserdem die Perspektive zu wechseln und für dich selbst zu entscheiden, welche Wahrheit dich im Leben weiter bringt.


Wechsle die Perspektive - eine MiniÜbung

«Setze dich auf einen Stuhl und nimm dabei eine bequeme Position ein.

Achte dabei auf eine aufrechte Haltung der Wirbelsäule. Entspanne bewusst deine Schultern und deinen Kiefer. Verankere deine Füsse mit dem Boden.

Schliesse deine Augen.

Konzentriere dich auf deinen Atem und nimm 2 bis 3 tiefe Atemzüge. Lasse deinen Atem nun in seinem eigenen Rhythmus fliessen.

Denke an eine Situation aus der Vergangenheit, die dich noch heute beschäftigt. Nimm diese Situation mit allen Sinnen wahr und betrachte sie so aus der Nähe. Was hast du mit deinen Augen gesehen, was auf deiner Haut gespürt, was mit deinen Ohren gehört, was mit deiner Nase gerochen und welches Aroma auf deiner Zunge wahrgenommen. Notiere dir alle Gedanken, Worte, körperlichen Empfindungen und Gefühle, welche durch diese intensive Vorstellung zum Vorschein kommen auf ein Blatt Papier.

Nun legst du das Blatt - stellvertretend für die Situation - auf den Boden während du dich selbst auf einen Stuhl stellst. Wie nimmst du aus dieser Perspektive die Situation wahr? Wird die Situation kleiner oder grösser? Nimmt diese weniger oder mehr Raum ein? Spürst du durch den Abstand Erleichterung oder Schwere? Vielleicht verliert die Situation durch deine Haltung - du schaust von oben hinab - bereits etwas an Brisanz oder ist sie immer noch omnipräsent? Es kann auch sein, dass allein das Niederschreiben der Situation einen Perspektivenwechsel provoziert hat.

Steige dann langsam wieder vom Stuhl und mache dich bereit die Augen zu öffnen, dich zu strecken, recken und tief ein- und ausatmend wieder ins Hier und Jetzt zu kommen.»


Egal wie du auf die Fragen geantwortet hast, ich bin sicher die andere Sichtweise auf die Situation hat auch etwas an deinem Empfinden verändert.



Um mental die Perspektive zu wechseln, kannst du mit folgenden Werkzeugen experimentieren:

  • wechsle einfach den Raum und spüre nach, was sich dadurch verändert hat

  • steige auf einen Hügel und lass den Blick übers Tal schweifen und nimm wahr, wie sich dein mentaler Zustand verändert

  • stelle 4 Stühle vor dich hin, denke an deine Situation und wechsle nach einer Minuten den Stuhl bis du auf allen 4 Stühlen gesessen bist - nimm wahr, auf welchem Stuhl sich die Situation am besten anfühlt

  • male einen Punkt auf deine Hand - der Punkt erinnert dich an die Situation und im Vergleich zur ganzen Handfläche wirkt die Situation bereits anders

  • stell dir die Situation vor und färbe diese in deiner Vorstellung mit verschiedenen Farben ein - entscheide mit welcher Farbe sich die Perspektive auf die Situation verbessert

Du kannst dich selbst für diejenige Wahrheit entscheiden, die sich von der besten Seite zeigt.


«Aus der "besseren Perspektive" kann man auch zu einer "Ansicht" kommen.»


In diesem Sinne wünsche ich dir einen bewussten Blick für die möglichen Perspektiven, die sich im Leben ergeben können.


Danke für deine Aufmerksamkeit beim Lesen des Blogs. Danke für das Ausprobieren der verschiedenen Werkzeuge. Danke für dein Feedback, damit ich mich freuen und wachsen darf.


Quellen:

-Geschichte "Die Keksdiebin": Nach dem englischen Original " The Cookie Tief" von Valerie Cox, übersetzt von Karla Johanna Schaeffer, https://www.karlajohannaschaeffer.com/post/wie-wir-aufh%C3%B6ren-andere-zu-verurteilen-die-keksdiebin

-Zitat: https://www.zitate.de/kategorie/perspektive

-Bilder aus der eigenen FerienFotoGalerie




bottom of page